Präsentation: Standardreaktionen in kritischen Fahrsituationen

Wie sich Menschen in kritischen Fahrsituationen verhalten, ist die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit. Ausgangspunkt waren Unfallszenarien, die dadurch aufgefallen waren, dass eine Vielzahl von Unfallbeteiligten jeweils ähnlich reagierte. Dies führte zu der Vermutung, dass es in manchen unfallträchtigen Situationen zu Standardreaktionen kommt: Viele Personen scheinen sich in vergleichbarer Art und Weise zu verhalten, wenn sie mit einer bestimmten kritischen Situation im Straßenverkehr konfrontiert sind. Die systematische Auswertung von Unfalldaten zeigte, dass es vor allem in Kreuzungssituationen, in denen Vorfahrtsberechtigten von rechts die Vorfahrt genommen wurde, zu Standardreaktionen kommen kann. Die Hauptreaktion der Vorfahrtsberechtigten bestand in diesen Situationen in einer Bremsung. Wenn es zu einer Ausweichbewegung kam, dann wurde hauptsächlich in die Bewegungsrichtung des Unfallverursachers gelenkt.
Da nur basierend auf Unfalldaten keine allgemeingültige Aussage zu Reaktionen in kritischen Fahrsituationen getroffen werden kann, wurden insgesamt zwei Studien mit dem Vehicle in the Loop (VIL) durchgeführt. Das VIL ermöglicht durch die Kombination eines Fahrsimulators mit einem realen Fahrzeug ein sowohl standardisiertes als auch sehr realistisches Erleben kritischer Situationen. Als Simulationsumgebung diente eine Landstraßensituation, auf der die Probanden mit 70 km/h auf einer Vorfahrtsstraße Kreuzungssituationen durchfuhren. In der ersten Studie, in der Faktoren gefunden werden sollten, die einen Einfluss auf das Reaktionsverhalten haben, wurde die Bedeutung der Time-to-Arrival (TTA) deutlich. Aus diesem Grund wurde die TTA in der zweiten Studie systematisch variiert. Es zeigte sich, dass der Anteil der reinen Bremsmanöver abnahm, je kürzer die TTA war, während der Anteil der Ausweichmanöver bei geringerer TTA zunahm. Die meisten Probanden wichen dabei gemäß der postulierten Standardreaktion in die Bewegungsrichtung des kreuzenden Fahrzeugs aus. Ein Ausweichmanöver entgegen der Bewegungsrichtung erfolgte nur nach vorheriger Bremsung. Die Werte der durchschnittlichen Verzögerungen verdeutlichten, dass es Personen in zeitlich kritischen Situationen schwer fällt, mit einer Notbremsung zu reagieren. Die Ergebnisse der Studien liefern daher Ansatzpunkte für notwendige Funktionalitäten von Fahrerassistenzsystemen, die Fahrer optimal unterstützen sollen, wenn ihnen in einer Kreuzungssituation die Vorfahrt genommen wird.